Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke beim Verpackungskongress des Deutschen Verpackungsinstituts

14.03.2024
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Bundesumweltministerin Steffi Lemke spricht über die bevorstehende EU-Verpackungsverordnung und betont die Bedeutung eines Kompromisses für die Akzeptanz und Durchsetzung.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Einen herzlichen guten Morgen!

Es ist gut, dass Ihr Kongress gerade heute stattfindet - in einer entscheidenden Phase für die Branche, aber auch in einer entscheidenden Phase für Europa. Es geht um die Frage, ob wir es schaffen, ökonomische Interessen und ökologische Notwendigkeiten zu verbinden und unter einen Hut zu bekommen. Und dafür stehen Sie, dafür steht Ihr Kongress auch ein Stück weit stellvertretend.

Sie haben die nationale Kreislaufwirtschaftstrategie schon angesprochen. Wir haben in der Tat intensive Arbeitsmonate hinter uns. Wir planen, die Strategie vor dem Sommer im Kabinett zu verabschieden. Bei den Diskussionen darüber merke ich immer wieder, dass bei sehr vielen Menschen beim Thema Kreislaufwirtschaftsstrategie zuerst an Verpackung gedacht wird. Sie wissen sicherlich, dass da sehr, sehr viel mehr drinsteckt, dass wir über noch viel weitreichendere Stoffströme sprechen. Aber die Verpackungsindustrie, das deutsche System, das hier in den letzten Jahren geschaffen wurde, mit sehr guten ökologischen Ansätzen, das steckt bei vielen Menschen in den Köpfen, stellvertretend für Kreislaufwirtschaft. Deshalb ist es gut, wenn wir Ihre jahrzehntelange Erfahrung in die Kreislaufwirtschaftsstrategie wirklich intensiv mit einbinden. Das haben ja die intensiven Diskussionen der letzten Wochen und Monate durchaus ermöglicht.

Bevor ich in das konkrete Thema einsteige, möchte ich den Blick etwas weiten auf die internationale Ebene. Vor knapp zwei Wochen war ich in auf der UNEA 6, also der UN-Umweltversammlung, die alle zwei Jahre tagt. Dort versammeln sich die Umweltminister unseres Planeten, um die aktuellen ökologischen Herausforderungen zu diskutieren. Und auch wenn diese UNEA deutlich überlagert wurde von den geopolitischen Großkonflikten, sei es der Krieg gegen die Ukraine oder der Überfall der Hamas auf Israel, so ist es dennoch gelungen, dass die Umweltminister gemeinsame Strategien, gemeinsame Resolutionen verabschiedet haben. Das heißt Umwelt- und Naturschutzpolitik ist in der Lage, auch solche politischen Grenzen zu überwinden. Der Wille, unseren Planeten zukunftsfähig zu gestalten, findet doch in allen Ländern der Erde auf irgendeine Art und Weise sehr, sehr stark Ausdruck.

Die Klimakrise, das Artenaussterben, Wasserknappheit, die Vermüllung der Meere, all das gefährdet nicht nur die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger, sondern eben auch die Grundlagen des Wirtschaftens und letzten Endes Ihre Wirtschaftsmodelle. Deshalb ist es gut, dass in diesem Jahr das Thema Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft eine sehr wichtige Rolle gespielt hat.

Es deutet sich an, dass das auch für das G 20-Treffen der Umweltminister in Brasilien so sein wird. Ich werde dort das Thema Kreislaufwirtschaft sehr, sehr stark einbringen, denn die Umweltkrisen werden durch unseren Rohstoffverbrauch, durch unseren Konsum beschleunigt. Ich glaube, dass das letzten Endes auch unseren Gesellschaften nicht gut tut. Ich glaube auch, dass wir im reichen Europa wirklich eine Verantwortung haben, deutlich zu machen, dass Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit möglich sind. Denn es sind ja häufig unsere Konsummodelle und unsere Wirtschaftsmodelle, die wir nach Asien, nach Afrika exportiert haben, wo uns nachgeeifert wird. Aber häufig geschieht das, ohne dass entsprechende Strukturen im Umweltbereich, sei es bei der Abwasserentsorgung, sei es bei der Müllentsorgung, überhaupt existieren.

Deshalb ist es gut, dass wir gegenwärtig das globale Plastikabkommen verhandeln, das bis zum Jahresende abgeschlossen werden soll. Es wäre, wenn uns das gelingt, eines der schnellsten UN-Abkommen überhaupt, ausgehandelt innerhalb von zwei Jahren. Normalerweise dauert sowas fünf, zehn oder 15 Jahre. Das unterstreicht aber auch die Dringlichkeit der Thematik. Gegenwärtig verdichten sich die wissenschaftlichen Studien, dass Mikroplastik entscheidende gesundheitliche Risiken mit sich bringt, auf den menschlichen Organismus, auf Gehirnentwicklung, auf die Frage, wie gesund Kinder aufwachsen können. Deshalb ist es auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes notwendig, dass wir diese Themen wirklich energisch bearbeiten.

Wir haben hier zu Hause in Deutschland die Aufgabe, sorgsam mit kostbaren Ressourcen umzugehen. Und ich bin wirklich davon überzeugt, dass es am Ende des Tages auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Ressourcen werden knapp, Lieferketten sind instabiler geworden. Dass wir mal so intensiv über Wasserknappheit im Panama-Kanal oder über kriegerische Auseinandesetzungen um den Kanal herum diskutieren, weil Lieferketten instabil geworden sind, hätten wir uns vermutlich vor fünf Jahren oder vor zehn Jahren nicht wirklich vorstellen können.

Deshalb fordern auch viele Bürgerinnen und Bürger ja immer stärker ein, dass Kreislaufwirtschaft umgesetzt wird, und zwar über Mehrweg oder das Recyceln von Plastikflaschen hinaus. Sie können spüren, dass Ressourcen angesichts einer weiter steigenden Weltbevölkerung knapper werden, unter Druck geraten und eben letzten Endes auch teurer werden und Inflationstreiber für jede einzelne Familie sind. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wollen echte Wahlmöglichkeiten. Sie wollen natürlich auch, dass ihr Alltag besser gestaltet wird.

Die Klage über den ausufernden Verpackungsmüll, die kennen Sie wahrscheinlich alle, vielleicht sogar auch aus Ihren eigenen Familien, das Genervtsein über die Vermüllung der Umwelt, über überflüssigen Verpackungsmüll. Ich glaube, wir müssen da eine Balance hinbekommen. Verpackung wird auch in Zukunft notwendig sein. Auch Plastikverpackung, das will ich einmal sagen, macht an vielen Stellen wirklich Sinn. Das heißt, wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Aber damit das nicht passiert im gesellschaftspolitischen Diskurs, müssen wir trennen zwischen dem, was notwendig, und dem, was überflüssig ist, und jeweils die beste Lösung dafür finden.

Wenn auf der Verpackung recycelbar steht, dann möchten Verbraucher sicher sein, dass die Verpackung wirklich recycelt wird. Sie wünschen sich einen wirksamen Schutz gegen Mikroplastik in der Umwelt und in ihrem eigenen Körper, und all das ist in die Arbeit an der Kreislaufwirtschaftsstrategie in den letzten Monaten eingeflossen. Wir haben als Quintessenz eigentlich gemeinsam festgestellt, die Branche war ja sehr intensiv in diesem Prozess eingebunden: Wir brauchen eine neue, wir brauchen eine klimaneutrale, und wir brauchen eine ressourcensparende Art zu wirtschaften. Die Wirtschaft der Zukunft muss zirkulär sein, sie kann nicht länger linear sein. Für den Weg dorthin haben wir viele Bündnispartner aus NGOs, aus der Umweltszene, aber eben vor allem, das ist mir sehr wichtig, aus der Wirtschaft gewinnen können, und das ist eine spannende Arbeit.

Ich will die Probleme, die wir da noch vor uns haben, definitiv nicht kleinreden. Viele Details sind noch zu regeln, es wird auch Kontroversen geben, aber wir haben uns auf den Weg gemacht. Deutschland ist hier Vorreiter, und diese Rolle sollten wir auch selbstbewusst und mit ein bisschen Stolz europäisch und international vertreten.

Wie viel Potenzial in der Kreislaufwirtschaft steckt, zeigt eine einzige Zahl. Gegenwärtig sind nur 13 Prozent der in Deutschland verarbeiteten Rohstoffe, also Anteil am Gesamtrohstoffverbrauch, Sekundärrohstoffe. Nur 13 Prozent, obwohl wir schon so lange in diesem Bereich unterwegs sind. Und das ist für mich in meinen Augen in erster Linie Potenzial und Möglichkeit und weniger Problem.

Ja, ich glaube, dass es eine sinnvolle Herangehensweise ist in diesen Zeiten, dass wir über Möglichkeiten und Lösungen reden, statt uns in politischen Grabenkämpfen und Schattenboxen zu verschanzen, weil das so ein bisschen gemütlich geworden ist in den letzten Jahrzehnten. Jeder hatte seine Position, da konnte man sich wunderbar zerstreiten, und man konnte auch ein bisschen vom Streit profitieren. Ich glaube, dass diese Zeiten wirklich zu Ende sind und dass sich alle auf die Lösungen konzentrieren müssen, aber damit die Kontroversen nicht ausblenden. Das muss das Ziel sein.

Heute wird in Deutschland sehr viel mehr Abfall getrennt gesammelt und recycelt als vor 30 Jahren. Das gilt für Verpackungen, das heißt, hier ist Ihre Branche Vorreiter, und das ist zweifellos ein riesengroßer, auch umweltpolitischer Erfolg, für den ich mich bei allen Beteiligten gerne bedanken möchte. Sowas passiert ja nicht alleine im politischen Raum, sondern muss in der Realität, in der Praxis auch umgesetzt werden.

Trotzdem, und das ist der negative Teil der Botschaft, wächst die Abfallmenge immer weiter an, und zwar gerade bei den Verpackungen. Das hängt auch zusammen mit veränderten Lebensstilen oder vielleicht eher Lifestyle-Entwicklungen. Vor 30 Jahren hat sich wahrscheinlich kaum jemand vorstellen können, dass viele, viele Menschen morgens den Kaffee aus einem Einwegbecher im Bus, Zug oder Auto konsumieren statt Zuhause aus einer Porzellantasse am heimischen Kaffeetisch, und alleine eine solche Veränderung hat riesige Müllmengen produziert. Wir werden das nicht zurückdrehen können. Ich persönlich bevorzuge zwar nach wie vor die Porzellantasse, aber das jetzt in eine neue Strategie für Abfallvermeidung, für Mehrweg mit einzubetten, ist einfach eine Herausforderung.

Und das ist ja nur ein Beispiel für viele Veränderungen. Nehmen Sie den Textilbereich. Ich vermute, wenn ich so in die Runde gucke, die meisten haben die T-Shirts oder die Kleidung noch mit dem Anspruch gekauft, sie zehn oder gar zwanzig Jahre tatsächlich tragen zu wollen. Die Tatsache, dass wir inzwischen Fast Fashion haben, ist eine negative Entwicklung, aus meiner Sicht in jeder Hinsicht, auch für die Gesellschaft.

Deshalb ist auf EU-Ebene die Kreislaufwirtschaft zu Recht eines der am meisten diskutierten Themen im Umweltbereich, auch des Green Deals der EU. Gerade bei Verpackungen ist es das Ziel, auf allen Ebenen der Abfallhierarchie besser zu werden. Bisher hat sich die Gesetzgebung zu stark auf die Verwertung konzentriert, damit auch teilweise neue Geschäftsmodelle kreiert, die den Kreislauf in negativer Hinsicht am Leben halten. Wir müssen dahinkommen, dass schon am Beginn der Designkette daran gedacht wird, das möglichst gar kein Abfall entsteht. Das heißt, dass Produkte, wenn sie entworfen und entwickelt werden, von vornherein auf Wiederverwertbarkeit gedacht und entwickelt werden. Wenn sie erst mal produziert sind, dann sind häufig die Umweltministerien dafür zuständig, sich um die Reste zu kümmern, irgendwelche Verwertungen oder Deponierungen zu entwickeln. Deshalb muss am Anfang der Produktionskette von vornherein der Kreislauf mitgedacht werden.

Wir haben jetzt in einer der ersten großen Technologien, der Batterietechnologie, dafür auf europäischer Ebene die Grundlage gelegt. Wir sind dabei, die digitalen Produktpässe stark zu entwickeln. Das sind die Zukunftsmöglichkeiten, die wir vor allem auch im Bereich von Digitalisierung und KI sehr, sehr intensiv nutzen sollten. Denn das hilft der Wirtschaft, der Innovation, aber auch der Umwelt.

Zur Verpackungsverordnung: Auf europäischer Ebene wurde das in den letzten Jahren sehr, sehr intensiv diskutiert, die PPWR. Und am Montag letzter Woche ist es dann gelungen, im Trilog eine Einigung auf einen Text zu erzielen. Das ist erstmal eine hervorragende Nachricht. Ich glaube, viele von Ihnen waren beteiligt an dieser Diskussion. Mein Haus hat als Federführer versucht, die Anmeldungen aus der Wirtschaft aufzunehmen, und wir haben viele positive Verhandlungserfolge auf europäischer Ebene für Deutschland erreichen können.

Im Moment haben wir einen Flickenteppich an Regeln und Vorschriften basierend auf der bisherigen Verpackungsrichtlinie. Ich bin der Meinung, dass damit auch der Wirtschaft nicht gedient ist. Europa ist immer enger zusammengewachsen und größer geworden. Deshalb sind einheitliche Leitplanken innerhalb Europas aus meiner Sicht für die Wirtschaft essenziell, um wirklich einen gemeinsamen Markt zu haben. Das ist eines der Ziele der Verordnung: einheitliche Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa, und das sorgt auch dafür, dass sich wirklich alle 27 Mitgliedsstaaten damit auseinandersetzen müssen, wie sie die Ziele zur Ressourceneinsparung und Abfallvermeidung jeweils erreichen.

Das heißt, da gibt's auch kein Verstecken mehr. Das ist eine Herausforderung gerade für die, ich sage mal, neuer dazugekommenen Mitgliedsstaaten. Ich war gerade auf einem Treffen der Umwelt- und Gesundheitsminister der Visegrad-Staaten, wo man merkt, dass wir auch von unterschiedlichen Standards, unterschiedlichen Stationen herkommen.

Deshalb ist es gut, dass sich alle 27 Mitgliedsstaaten in dieser Trilog-Einigung eingebracht haben, und es wird keiner der 27 Mitgliedsstaaten alle seine Interessen durchsetzen können. Das liegt in der Natur der Sache. Das ist Politik, dass man Kompromisse schmiedet, und es ist ein sehr guter nach dieser monatelangen Arbeit gelungen.

Die Verpackungsverordnung wird einen effektiven Beitrag zur Abfallvermeidung leisten. Dafür enthält sie konkrete Ziele zur Verpackungsreduzierung auf europäischer Ebene. Die Verpackungs-Abfallmenge pro Kopf soll in Europa sinken, und zwar bis 2040 um mindestens 15 Prozent gegenüber 2018. Das ist ehrgeizig, aber bewältigbar. Bestimmte Kunststoffverpackungen werden ab 2030 in Europa nicht mehr zulässig sein.

Das ist für mich aber nicht der Kern dieser Novelle, sondern die systemischen, die strukturellen Veränderungen, die wir mit der PPWR anreizen und erzeugen wollen. Also ich glaube, dass wir uns nicht in erster Linie über kleine Zuckertütchen im Restaurant unterhalten sollten, sondern über die großen, die wirklich relevanten Stoffströme im Verpackungsbereich. Uns allen ist, glaube ich, völlig klar: Wirtschaft kann nicht ohne Verpackung existieren. Auch für die Verbraucher ist sie an sehr, sehr vielen Stellen notwendig. Sie muss aber deshalb sparsam und klug eingesetzt werden. Auch das ist eines der Ziele der PPWR, zu trennen, wo welche Verpackung Sinn ergibt und wo eben nicht.

Ich bin sehr froh, dass wir im Trilog auch zum umkämpften Thema Mehrweg eine Einigung gefunden habe haben. Die Verpackungsverordnung soll aber nicht nur Mehrweg fördern, sondern auch Einweg effizienter machen, und dafür müssen Verpackungen so gestaltet werden, dass sie gut recycelbar sind. Auch dafür enthält der Entwurf Vorgaben, genauso wie für den Rezyklatanteil von Kunststoffverpackungen. Wichtig ist, dass weniger primäre Ressourcen verbraucht werden und dass die Nachfrage nach Sekundärstoffen angekurbelt wird. Das ist das, was ich mit den großen Stoffströmen meine, und das ist auch das, was das globale Plastikabkommen auf internationaler Ebene leisten muss.

Sie wollen jetzt wahrscheinlich von mir wissen, wie das ausgeht nach dem Trilog und wie das weitergeht. Dazu kann ich sagen, dass morgen die EU Botschafter der Mitgliedsstaaten das Trilog-Ergebnis bewerten werden, im sogenannten AStV. Ich gehe von einem positiven Votum aus. Bis Mitte April wird das europäische Parlament dann seine erste Lesung abhalten. Dann müssen die Übersetzungen erarbeitet werden und sowohl Parlament als auch Rat ihr endgültiges Votum abgeben. Das ist der ganz normale Prozess, der ganz normale Ablauf für solche europäischen Dossiers.

Ich kann sagen, dass die Bundesregierung alle ihre Forderungen in den Trilog-Verhandlungen durchsetzen konnte. Wir haben diesen Erfolg auch erzielt, weil wir in diesem Trilog-Verfahren zugesichert hatten, wenn unsere Punkte aufgenommen werden, dann wird Deutschland dieser Verpackungsverordnung auch zustimmen. Uns war dabei wichtig, dass in Deutschland die bestehenden in gut etablierten Mehrweg- und Einwegpfandsysteme, auch unter dem neuen europäischen Rechtsrahmen forbestehen. Das war ein kniffeliger Punkt, aber das wäre ja das Kind mit dem Bade ausschütten gewesen, wenn wir jetzt europäische Leitlinien schaffen, damit aber gut etablierte Systeme in den Mitgliedsstaaten nicht fortbestehen können.

Wir haben entsprechende Änderungen durchgesetzt. Ich will aber noch mal betonen: ein Trilogergebnis ist ein Kompromiss. Ich glaube, Deutschland ist gut beraten, in der EU nicht zu erwarten, dass alle ihren Kompass ausschließlich nach deutschen Interessen ausrichten. Wir müssen in der Lage sein, auch die Interessen der anderen Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Sonst kann Europa nicht funktionieren. 27 nationale Interessenslagen im Verpackungsbereich zusammenzubringen, das ist schon eine Herausforderung. Ich bin überzeugt, dass ein guter Kompromiss herausgekommen ist für Wirtschaft, für Umwelt, für Verbraucher.

Im Vorfeld des Trilogs haben mich aus der Verpackungsbranche wirklich sehr, sehr viele Appelle erreicht, der Verordnung zuzustimmen. Es wurde das sehr starke Interesse der Verpackungsindustrie aus Deutschland geäußert, dieser PPWR zuzustimmen, unter bestimmten Konditionen. Ich habe gesagt, wir haben diese Änderungen mit rausverhandeln können, und Sie haben ja eben im Vorgespräch auch noch mal vermitteln können, wie stark das Interesse der deutschen Industrie ist, dass wir dieses einheitliche Level Playing Field bekommen. Ich weiß, dass Sie seit vielen Jahren auf eine klare Regulierung des europäischen Binnenmarktes warten, darauf warten, dass die Politik das endlich liefert.

Viele haben gesagt, dass nicht jedes Detail der Verordnung ihren Wünschen entspricht. Ehrlich gesagt: auch nicht meinen. Also, auch die Umweltseite hat Kompromisse in diesem Verhandlungsprozess geschlossen. Aber viele haben gesagt, dass eine nicht perfekte Verordnung besser ist als keine Verordnung. Auch das ist häufig das Wesen von Politik, und in dem Sinne stimme ich zu, dass eine nicht perfekte Verordnung besser ist als eine gescheiterte Verordnung.

Wir brauchen ein wirksames Instrument gegen die Verpackungsflut. Wir brauchen einen verlässlichen Binnenmarkt für Verpackungen, wir brauchen europäische Vorgaben für Rezyklate, damit auch der Markt für Sekundärrohstoffe in Gang kommt, und deshalb brauchen wir die EU-Verpackungsverordnung.

Ich halte es deshalb für fahrlässig, diese intensive fachpolitische Arbeit und diplomatische Leistung von mehreren Monaten Arbeit von 27 Mitgliedsstaaten der EU fahrlässig aufs Spiel zu setzen. Auf den letzten Zentimetern. Einerseits, weil die Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten, dass wir etwas gegen die Verpackungsflut tun, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Und andererseits, weil Sie, die Branche, die Wirtschaft, in Europa einheitliche Spielregeln einfordern, völlig zu Recht, und vor allem auf Planungssicherheit drängen, auch völlig zu Recht. Das unterstütze ich. Und drittens, ich will noch einen weiteren Grund hinzufügen.

Wir leben in unsicheren Zeiten. Demokratie steht unter Druck, nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt steht das demokratische System im Wettbewerb mit autokratischen Systemen und steht massiv unter Druck. Und wenn Demokratie, wenn Politik in unsicheren Zeiten zusätzliche Verunsicherung schafft, ich sage mal fahrlässig und auch ohne nachvollziehbare Begründung, dann haben wir als Demokratie gefehlt.

Ich bin als jemand, der in Ostdeutschland lebt, wahnsinnig froh, dass im Moment Hunderttausende Menschen für Demokratie, für unsere Verfassung, gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen. Und das nicht nur in Berlin, München und Köln, sondern auch in Salzwedel, in Zittau und in Bitterfeld, wo es möglicherweise etwas mehr Mut erfordert, sein Gesicht auf einer solchen Demonstration von 200, 300 Leuten und nicht 10 000 oder 50 000 zu zeigen und hinterher auch dort weiterzuleben, im Supermarkt einzukaufen und an der Tankstelle das Auto zu befüllen. Das sind Zeiten, wo ich darauf gewartet habe - ich muss Ihnen das ganz ehrlich sagen - dass sich die politische Mitte, die demokratische Mitte gegen Rechtsextremismus, gegen das Infragestellen unserer freiheitlichen Grundordnung, unserer Verfassung zur Wehr setzt. Und in solchen Zeiten fahrlässig Politik zu gefährden, solche diplomatische, solche fachpolitische Arbeit zu gefährden, hielte ich wirklich für problematisch.

Und deshalb finde ich Spekulationen über Geheimabsprachen zwischen Deutschland und Italien und das Verdealen von Lieferkettengesetz gegen Verpackungsgesetz fahrlässig, und ich weise diese Spekulationen entschieden zurück. So etwas wäre gefährlich. Politik, Demokratie, die Bundesregierung ist gefordert, Verlässlichkeit und Vertrauen in politische Verfahren zu gewährleisten. Dafür sind wir gewählt, dafür steht die Bundesregierung.

In diesem Sinne baue ich darauf, dass wir für Ihre Branche genau diese PPWR jetzt durchsetzen können auf europäischer Ebene. Noch existierende Probleme in der nationalen Umsetzung diskutieren wir gerne weiter gemeinsam mit Ihnen, um immer, wo es möglich ist, angepasste Lösungen zu entwickeln.

Auf der Internetseite des deutschen Verpackungsinstituts - damit möchte ich enden - ist zu lesen: Jede Verpackung ist ein Kompromiss aus dem Erfüllen verschiedenster Anforderungen. Das ist großartig, finde ich. Genauso ist es in der Politik, und die Aufgabe ist, die Verpackung zu kreieren und die Probleme zu lösen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihrem Kongress heute wirklich fruchtbare Diskussionen. Ich freue mich, dass Sie zusammengekommen sind in diesen interessanten politischen Zeiten, hoffe, dass sie eine angenehme Tagung und auch ein gutes gemeinsames Zusammensein am Abend haben und über all die gesellschaftlichen Probleme miteinander sprechen. Dialog in diesen Zeiten, politischer, demokratischer Meinungsstreit in diesen Zeiten ist vielleicht notwendiger, als wir uns das vorstellen könnten.

Herzlichen Dank!

14.03.2024 | Rede Kreislaufwirtschaft
https://www.bmuv.de/RE10935
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